DER FREISPRUCH AUS WERNIGERODE WURDE BESTÄTIGT!
Liebe Community,
Erinnern wir uns: Am 20.2.2025 hatte ich hier in diesem Kanal die Freude, eine gute Nachricht zu verkünden – nämlich einen Freispruch! Mein Mandant war beim Amtsgericht Wernigerode unter Anklage gestanden, weil er in drei Fällen Illustrationen mit der Aufschrift „Impfen macht frei“ im Stil des Schriftzugs „Arbeit macht frei“ auf NS-Konzentrationslagern und im vierten Fall ein gewöhnliches Hakenkreuz mit der Überschrift „1941“ sowie direkt daneben ein aus Impfspritzen zusammengesetztes Hakenkreuz mit der Überschrift „2021“ gepostet hatte. Der Anklagevorwurf hatte in den ersten drei Fällen auf Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 StGB) und im vierten Fall auf Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 StGB) in Tateinheit mit Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) gelautet.
Das Amtsgericht Wernigerode hatte, wie ich bereits berichtete, meinen Mandanten mit Urteil vom 20.2.2025 von sämtlichen Anklagevorwürfen freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte dagegen Berufung eingelegt. Heute, am 23.4.2025, fand bereits die Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht Magdeburg statt. Das Landgericht Magdeburg hat die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen, weil es in keinem der verfahrensgegenständlichen Posts einen Straftatbestand verwirklicht sah. Der Freispruch meines Mandanten hat also weiterhin Bestand!
Bemerkenswert an der heutigen Verhandlung war, dass selbst die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft Freispruch beantragte! Als der Vorsitzende Richter daraufhin fragte, ob sie die Berufung dann nicht gleich zurücknehmen wolle, erwiderte sie, dafür habe sie keine Weisung. Der Freispruch ist also immer noch nicht rechtskräftig. Es nach wie vor möglich, dass die Staatsanwaltschaft noch in Revision geht.
Wer mit den Gepflogenheiten des Justizbetriebes nicht vertraut ist, wird mich jetzt fragen, wie denn sowas sein kann:
1. Wie kann es sein, dass die Staatsanwaltschaft erst Berufung einlegt und dann aber – bei unveränderter Faktenlage! – die Zurückweisung der eigenen Berufung beantragt? Und dann trotzdem noch in Revision gehen kann? Dazu muss man zweierlei wissen:
a) Sachbearbeiter und Sitzungsvertreter können bei der Staatsanwaltschaft zwei verschiedene Personen sein. Sachbearbeiter ist derjenige, der die Ermittlungen führt und die Anklageschrift fertigt; Sitzungsvertreter ist derjenige, der in der Hauptverhandlung für die Staatsanwaltschaft auftritt.
Die heutige Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft war ganz offensichtlich NICHT die Sachbearbeiterin. Im Vorgespräch zur erstinstanzlichen Verhandlung in Wernigerode war zur Sprache gekommen, dass die Ermittlungen von einer Oberstaatsanwältin geführt werden. Die heutige Sitzungsvertreterin hatte sich in der heutigen Berufungshauptverhandlung die Posts meines Mandanten noch einmal zeigen lassen, weil sie diese gar nicht gekannt hatte. Umso akkurater war sie auf die rechtliche Seite vorbereitet und hat in ihrem Plädoyer punktgenau ausgeführt, warum das, was mein Mandant gepostet hatte, nicht strafbar sein kann. Aber sie hatte eben kein Mandat, die Berufung zurückzunehmen – dazu hätte es eine Weisung seitens der Sachbearbeiterin, ggf. sogar der Behördenleitung bedurft. Wohl aber war sie befugt, auf Freispruch zu plädieren; sie ist nicht gezwungen, gegen ihre eigene Überzeugung zu argumentieren. Die heutige Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft hat mit anderen Worten heute ein bemerkenswert starkes Rückgrat bewiesen!
2. Der staatliche Strafanspruch steht nur in sehr begrenztem Umfang zur Disposition der Verfahrensbeteiligten. Das Gericht hätte heute meinen Mandanten verurteilen dürfen, obwohl Staatsanwaltschaft und Verteidigung übereinstimmend einen Freispruch gefordert haben. Und so liegt es auch in der Rechtsmittelinstanz: Die Staatsanwaltschaft hat das Recht, das Urteil auf Rechtsfehler überprüfen zu lassen, selbst wenn das Gericht so entschieden hat wie beantragt. Deshalb ist nach wie vor die Revision möglich.
Herzliche Grüße
Ihr und Euer
Martin Schwab