Liebe Freunde,
in Vorbereitung des im Sommer beginnenden neuen Schuljahres hat die Senats-Bildungsverwaltung etwas geradezu Ungeheures getan: Sie hat die Zugangsvoraussetzungen für die Berliner Gymnasien verschärft, um das Niveau der gymnasialen Ausbildung zu verbessern. Statt eines Notenschnitts von bisher 2,7 müssen Schüler, um eine Gymnasialempfehlung zu bekommen, nun mindestens einen Schnitt von 2,2 aufweisen. Für diejenigen Schüler, deren Noten darunter liegen, wurde zusätzlich die Möglichkeit geschaffen, im Rahmen eines Probeunterrichts dennoch eine Gymnasialempfehlung zu bekommen. Das Ergebnis aber war eigentlich erwartbar: Satte 97,4% der Prüflinge schafften die Hürde des Probeunterrichts nicht.
Seither brandet eine Woge der Empörung über die Schulsenatorin: Lehrer kritisierten, die Aufgaben seien zu schwer gewesen (wenn Sie das an sich selbst testen wollen – die Aufgaben finden Sie hier). Die Grünen sprachen von einem „schweren Fehler“ und einem „Beleg für eine verfehlte Bildungspolitik“. Viele Eltern sind verzweifelt, weil die erhoffte akademische Karriere ihres Sprösslings nun beendet ist, bevor sie überhaupt beginnen konnte. Einige von ihnen gingen sogar vor Gericht, wo ihre Eilanträge allerdings abgewiesen wurden. Und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft verstieg sich zu der Aussage, das Gymnasium werde dadurch als „elitäre Bildungseinrichtung“ gestärkt.
Ja, was denn sonst?, möchte man den Gewerkschaftern zurufen.
Natürlich soll und muss das Gymnasium elitär sein – oder besser sollte und müsste, denn wenn man bedenkt, dass trotz verschärfter Voraussetzungen immer noch mehr als die Hälfte aller Grundschüler auf ein Gymnasium als weiterführende Schule wechseln, kann von „elitär“ kaum die Rede sein. Zum Vergleich: In der ersten Hälfte der 1960er-Jahre erreichten lediglich 28% der Schüler das Abitur, 29% machten einen Hauptschulabschluss und gut 40% erwarben die Mittlere Reife oder einen Abschluss an einer polytechnischen Oberschule in der DDR. Damals war das Gymnasium tatsächlich eine elitäre Angelegenheit, heute ist es eher der Normalfall.
Und genau darin liegt das Problem: Ab Ende der 60er-Jahre gewann in Deutschland (West) das linke Bildungsideal die Oberhand, demzufolge am besten jeder Jugendliche studieren können sollte. Demzufolge wurde die Gymnasiallaufbahn massiv gepusht, wurden die Anforderungen für den Zugang zum Gymnasium stetig abgesenkt, bis eben der heutige Zustand erreicht wurde. Und selbst der reicht den linken Gleichmachern noch nicht. Ginge es nach ihnen, würden Gymnasien gleich ganz abgeschafft, würden alle Schüler in Gesamtschulen gesteckt und alle, vollkommen unabhängig von ihren persönlichen Fähigkeiten, über einen Kamm geschoren.
Damit aber wurden, absichtlich oder ungewollt, alle anderen Schulformen entwertet. War es Anfang der 80er-Jahre noch problemlos möglich, mit einem vernünftigen Realschulabschluss eine kaufmännische Lehre zum Beispiel bei einer Bank zu beginnen, so ist ein Kandidat ohne Abitur bei einer Bewerbung um eine solche Ausbildung heute nahezu chancenlos. Die „Gymnasium ist das einzig Wahre!“-Ideologie hat alle anderen Schulformen zu Restschulen degradiert, deren Abschlüsse immer weniger wert sind. Wieder einmal zeigt sich hier einer der Grundfehler linken Denkens: Die fehlende Erkenntnis, dass etwas nur dann Wert hat, wenn es rar ist.