Relativ neu ist die Erkenntnis, dass sowohl negative Gefühle als auch dauerhafter Stress während der Schwangerschaft ihre Spuren beim Nachwuchs hinterlassen.
So sieht die New Yorker Psychologin Catherine Monk den Ursprung vieler depressiver Erkrankungen in Erlebnissen im Mutterleib.
Entsprechendenden Untersuchungen zufolge reagieren Kinder depressiver Mütter bereits in utero empfindlicher auf Stressreize als Kinder mental stabiler Mütter.
In der Schwangerschaft, so Janov, gebe die Mutter ein hohes Maß an neurochemischer Information an das heranwachsende Kind weiter. Ihre Befindlichkeit verursache Schwankungen im Hormonhaushalt, die sich auf das Kind auswirkten. Sei die Mutter beispielsweise nervös, dann verändere sich ihr Hormonhaushalt.
In Folge stelle sich der Fötus darauf ein, nach der Geburt die gleichen Bedingungen vorzufinden wie im Mutterleib. Produziert der mütterliche Organismus große Mengen des Stresshormons Cortisol, dann stellt sich das Ungeborene auf eine Welt ein, die furchterregend und bedrohlich ist. Die gesamte kindliche Physiologie und Neurologie passt sich den mütterlichen Schwankungen an.
Daher sei die liebevolle Beziehung zwischen Mutter und Kind so wichtig. Fehle die Liebe zum Fötus, dann bekäme das Kind auch physisch nicht genügend Nährstoffe und könne sich nicht optimal entwickeln.
Dr. Janov geht davon aus, dass es für die Befriedigung essenzieller Bedürfnisse ein Zeitfenster gebe, in dessen Rahmen diese erfüllt werden müssten. Geschehe dies nicht, so bestehe ein lebenslanges Defizit, das im späteren Leben nicht mehr vollständig behoben werden könne. So hat er festgestellt, dass ernsthaftem Drogenmissbrauch oft ein Mangel in der frühesten Kindheit vorausgehe.
In neurologischer Hinsicht, so Janov, bewirkten Zuneigung und Ruhe der Mutter während der Schwangerschaft nicht nur eine Stärkung des kindlichen Gehirns, sondern sie förderten auch die Bildung von Rezeptoren für körpereigene Opiate – Endorphine – , die es dem Kind ermöglichten, mit Schmerz besser zurechtzukommen, sodass es im späteren Leben in der Lage sei, mit Stress und sonstigen Schwierigkeiten umzugehen. Das heißt: Je besser die Bedürfnisse des Kindes bereits im Mutterleib befriedigt werden, desto gesünder und glücklicher wird es aller Voraussicht nach werden und desto mehr intellektuelle Fähigkeit wird es entwickeln.
Stress während der frühen embryonalen Entwicklung hat gravierende Auswirkungen auf die Gene. Er führt dazu, dass sich die (epi-)genetische Codierung jeder einzelnen Zelle verändert. Frühe Traumata, so Janov, veränderten somit die zellinterne Chemie und würden im Gedächtnis der Zelle abgespeichert. Stress oder Primärschmerz würden sich demnach tief in die Grundstruktur der Zellen einbrennen und das Immunsystem dauerhaft schwächen.
In einer Studie des Imperial College in London aus dem Jahr 2007 konnte immerhin nachgewiesen werden, dass die Übertragung eines hohen Cortisolspiegels von der Mutter auf das Kind einen niedrigeren IQ, Ängste, AD(H)S und Depressionen begünstigen kann.
Für Mütter bedeuten die Erkenntnisse eine Erinnerung an die Verantwortung, die sie gegenüber dem ungeborenen Kind tragen. Anlass genug, vielleicht auch den eigenen Lebenswandel und die Prioritäten noch einmal einer Überprüfung zu unterziehen. Als Gesellschaft sollten die Erkenntnisse zu einer breiten Unterstützung für Schwangere führen.
Nicht umsonst wurde die Schwangerschaft in vielen indigenen Völkern sehr ernst genommen und schwangere Frauen hatten zum Teil einen besonderen Status inne. Es galt, sich auf die ankommende Seele vorzubereiten und ihr eine gesunde und freudige Ankunft zu bereiten. Nun rät uns die moderne Wissenschaft, es ganz ähnlich zu handhaben
~Vorgeburtliche Prägung: Wie wichtig ist die Zeit vor der Geburt?
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