Was sagt meine Inhaftierung durch ICE über Amerika aus?
Von Mahmoud Khalil
Quelle: Washington Post - 18.04.2025
Es ist 3 Uhr morgens. Ich liege schlaflos auf einem Etagenbett in Jena, Louisiana – weit entfernt von meiner Frau Noor, die in zwei Wochen unser Kind zur Welt bringen soll. Der Regen prasselt auf das Blechdach und übertönt das unruhige Schnarchen der 70 Männer um mich herum. Sie wälzen sich auf dünnen Matten, eingesperrt wie ich – in einem Gefängnis der US-Einwanderungsbehörde ICE. Wer von ihnen träumt wohl von seiner Familie? Wer von uns wird zum nächsten „Verwaltungsfehler“ der Trump-Regierung?
Erst am Freitag entschied ein Einwanderungsrichter, dass ich abgeschoben werden könne – trotz meines Status als legaler Daueraufenthaltsberechtigter. Die Vorwürfe gegen mich? Haltlos. Die sogenannten Beweise? Teils abgeschrieben aus Boulevardblättern. Zwar bedeutet das Urteil keine sofortige Abschiebung – mein Fall liegt noch bei anderen Gerichten – doch die Bedrohung ist real.
Am selben Tag erreichten mich Briefe von Unterstützer*innen. Zwei Briefmarken zierten die amerikanische Flagge: „Freedom forever“, „Justice forever“. Die Ironie schmerzt. Denn ich habe erlebt, wie die Regierung das Einwanderungsrecht instrumentalisiert, um ihre repressive Agenda durchzusetzen. Mein Verfahren wurde im Eiltempo abgewickelt – rechtsstaatliche Grundsätze blieben auf der Strecke. Viele meiner Mitgefangenen sitzen seit Monaten oder gar Jahren hier, ohne zu wissen, wann oder ob sie ein gerechtes Verfahren erhalten.
Während der Anhörung vertrat die Regierung – im Namen von Außenminister Marco Rubio – die Position, meine Überzeugungen, Äußerungen und Kontakte gefährdeten angeblich die „außenpolitischen Interessen“ der USA. Doch ich stehe für Werte, die universell sind: Gleichheit, Menschenwürde, das Recht meines Volkes, ohne Angst vor Bomben in den Himmel blicken zu dürfen. Gemeinsam mit muslimischen, jüdischen und christlichen Freundinnen an der Columbia University habe ich für Gerechtigkeit gekämpft. Warum wird der Protest gegen Israels Tötung unschuldiger Zivilistinnen zur Bedrohung für meine Grundrechte?
Meine Anwälte verwiesen auf den historischen Fall Endo. In der Gefängnisbibliothek stieß ich auf die Geschichte hinter dem Urteil: Mitsuye Endo, eine japanisch-amerikanische Frau, klagte während des Zweiten Weltkriegs gegen ihre Internierung. Ihr juristischer Sieg führte zur Freilassung Tausender. Die Erinnerung an die 70.000 internierten US-Bürger japanischer Herkunft macht deutlich: Die Rhetorik von Freiheit und Gerechtigkeit verdeckt oft eine bittere Realität. In Amerika, so scheint es, gelten Rechte vor allem für diejenigen, die sich der Macht beugen. Für Arme, für People of Color, für jene, die sich gegen Unrecht auflehnen, bleiben Rechte oft bloß Worte – geschrieben auf Wasser.
Die Meinungsfreiheit, insbesondere in Bezug auf Palästina, war in den USA stets fragil. Die aktuelle Repression gegen Studierende und Universitäten zeigt, wie sehr sich die Regierung davor fürchtet, dass die Idee eines freien Palästinas in den gesellschaftlichen Mainstream vordringt. Warum sonst wird nicht nur versucht, mich abzuschieben, sondern gleichzeitig gezielt Falschinformationen über mich zu verbreiten?
Ich lese Viktor Frankls „…trotzdem Ja zum Leben sagen“. Ich zögere, meine Lage mit den Schrecken der Konzentrationslager zu vergleichen – und doch erkenne ich Parallelen: die Ungewissheit, das Gefühl von Ohnmacht, die Hoffnungslosigkeit in den Augen der Mitgefangenen. Frankl schrieb als Psychologe. Ich frage mich, ob Dr. Hussam Abu Safiya – ein Krankenhausdirektor, der am 27. Dezember in Gaza von israelischen Besatzungstruppen entführt wurde – eines Tages seine Erfahrungen als Mediziner aufschreiben wird. Laut seinem Anwalt erlebte er Schläge, Elektroschocks und Einzelhaft.