Linker Reformismus ist ein schleichendes Gift.
Er erwächst gewöhnlich aus der Hoffnung, die sozialen Verwerfungen, die der Kapitalismus aus sich selbst heraus produziert, politisch abmildern zu können. Das ist verständlich, und solche Versuche sind auch notwendig, um das schlimmste Elend zu verhindern.
Die Falle daran ist, dass sich linke Reformisten auf den bürgerlichen Staat stützen, dessen Logik und Methoden nutzen und mit den Herrschenden kollaborieren (müssen).
Das aber suggeriert, die Kollaboration der Ausgebeuteten mit ihren Ausbeutern sei die Lösung für die wachsenden Probleme, unter denen erstere zu leiden haben. Es verschleiert das Wesen der kapitalistischen Klassengesellschaft, also die unversöhnlichen Interessen von Eigentümern der Produktionsmittel einerseits und Lohnabhängigen andererseits.
Linker Reformismus ohne Analyse der kapitalistischen Eigentums-, Macht- und Gewaltverhältnisse als Fundament führt unweigerlich in den Nationalismus. Dieser kreiert immer eine Pseudogemeinschaft zwischen Kapitalisten und Lohnabhängigen einer Nation und stützt damit die Aufgabe des bürgerlichen Staats: Die profitable Ausbeutung von Lohnarbeit im Sinne der Kapitalisten zu managen.
Aus linkem Reformismus resultierender Nationalismus stützt somit jene Bedingungen, die die beklagten sozialen Verwerfungen produzieren. So spaltet er die unterdrückte Klasse der Lohnabhängigen nach Herkunft und Ethnie, schafft eine national privilegierte Gruppe von Arbeitern, die gegen andere Gruppen innerhalb ihrer Klasse zu Felde zieht, damit ihre eigenen Interessen verrät und eine gemeinsame Gegenwehr gegen den real existierenden Klassenkampf von oben verunmöglicht.
Auch die außenpolitische imperialistische Brutalität wird damit nicht nur verschleiert, sondern im Sinne eines „Wohlergehens der Nation“ gerechtfertigt. Das angestrebte „nationale Wohlergehen“ mag zwar vorübergehend dafür sorgen, dass der Anteil der privilegierten Lohnabhängigen innerhalb der Nation zunimmt. An den systemischen Verwerfungen ändert das aber nichts, im Gegenteil: Allen Lohnabhängigen, die aus dieser nationalen Pseudogemeinschaft ausgegliedert werden – und das ist nach Gusto der Herrschenden eine variable Größe – droht sogar mehr Übel.
Linker Reformismus führt in den Nationalismus, der die bestehenden Eigentums-, Macht- und Gewaltverhältnisse innerhalb der Nation stützt, den internationalen Klassenkampf torpediert und somit auch dem globalen Imperialismus einen Freifahrtschein verschafft.
Bestes Beispiel dafür ist die Entwicklung der SPD, die Geschichte geschrieben in Sachen Kollaboration mit den Herrschenden. Die Folge: Kriegsunterstützung, Kahlschlag des Gemeinwesens, rassistische und sozialdarwinistische Segregation – das alles unter dem Deckmantel nationaler Interessen.
Wer dem mörderischen Kapitalismus als Ursache sozialer Probleme das Wasser abgraben will, kann und sollte das Parlament als Bühne für Agitation zur Förderung des Klassenbewusstseins nutzen. Dabei dürfen und sollen auch Verbesserungen für Lohnabhängige herauskommen. Aber der Glaube daran, so tatsächlich die zahlreichen, wachsenden Probleme der Lohnabhängigen lösen zu können, führt nicht nur in die Irre, sondern zerstört jede echte Opposition.
Es muss klar sein: Die Verwerfungen, die wir beklagen, resultieren nicht allein aus „falscher Politik“. Sondern sie resultieren aus der Krisendynamik des globalen kapitalistischen Systems, auf welche die bürgerliche Politik reagiert – und zwar nach der Logik des Systems.
Solange die wirtschaftlichen Eigentumsverhältnisse bestehen bleiben und, darauf basierend, die Monopolisierung und Vermögenskonzentration voranschreitet, liegt es auf der Hand, dass der Spielraum einer Politik, die zuerst darauf bedacht ist, das System zu stützen, zunehmend geringer wird. Das gilt auch für den Spielraum linker Reformisten.