Wenn der Tag sich der Schwellenzeit nähert und die Nacht noch nicht ist, so ist dies die richtige Zeit für magisches nähen. So sitzt die Alte an ihrem Tisch. Vor ihr ein Stück Stoff, weich wie das Moos unter den alten Eichen, und dunkel wie der Himmel zwischen den Sternen. Sie streicht mit den Fingern darüber, spürt, wie die Energie des Stoffes pulsiert, als würde er bereits ahnen, was aus ihm werden sollte.
Ein Zauberbeutel. Ein kleines Bündel voller Magie, das Schutz gewähren, Wünsche tragen, Wege öffnen würde. Doch ein Zauberbeutel ist nicht nur ein Beutel, er ist ein Versprechen, ein Gefäß für magische Kräfte, die ihre eigenen Wege finden.
Mit einer feinen, gebogenen Nadel beginnt sie zu nähen. Jeder Stich eine Absicht, jede Schlaufe ein geflüsterter Wunsch. „Möge dieser Beutel halten, was ihm anvertraut wird. Möge er schützen, was geschützt werden muss. Möge er rufen, was kommen soll.“
Was in einen Zauberbeutel gehört, entscheidet nicht nur die Alte, sondern auch das Schicksal. Sie öffnet ihre Kiste mit den kleinen Schätzen der Welt und wählte mit Bedacht. Ein Stück getrocknete Beifußwurzel für Schutz und Klarheit auf allen Wegen. Eine winzige schwarze Feder eines Raben, dem Boten zwischen den Welten, und dem Hüter der Geheimnisse. Ein kleiner rund geschliffener Mondstein, für Intuition und die leisen Stimme der Ahnen. Ein kleine Eichel, für Stärke, Standhaftigkeit und für die Verbindung zur Erde. Und zu guter letzt eine Brise von schwarzem Salz, um alles abzuwehren, was nicht willkommen ist.
Sie legt jedes Stück mit Sorgfalt hinein, als würde sie einen Zauber weben, der leise in den Falten des Stoffes weiterlebt. Sie zieht die Bänder zu, bindet drei Knoten und spricht zu jedem einen alten Spruch; „Was hier ruht, sei bewahrt. Was hier lebt, sei gesegnet. Was hier webt, sei geleitet.”
Der Beutel liegt nun in ihrer Hand, warm und voller Kraft, als hätte er ein eigenes Herz, das leise in den Schichten des Stoffs schlägt. Sie weiss, er würde warten, bis der richtige Moment, der richtige Mensch kommen, und diesen Beutel brauchen wird.
Und so hängt sie ihn ans Fenster, wo der Mond ihn segnen, die Sonne ihn durchlichten wird, und der Wind seine Magie zu jenem tragen wird, um die Verbindung zu knüpfen. Denn ein Zauberbeutel ist nicht einfach nur genäht, er wird geboren, aus Fäden, aus Absichten, aus reiner Magie.
Und irgendwo, in einer Zeit, die noch nicht geschrieben, da wartet bereits eine Seele um ihn zu finden.
Maria Solva Roithinger
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