Kindheit und Jugend sind Stationen, an denen man nicht haften muss, da in jedem Menschen ein Geist steckt, der zeitlos denkt und fühlt. Das Alter spielt keine wesentliche Rolle. Erwachsenes Dasein kann unbeschwert sein und Blödsinn machen, aber es kann auch ernsthaft und konsequent, verantwortungsbewusst und vorausschauend agieren. Nicht "Entweder-Oder", sondern "Sowohl als auch". Ein erwachsener Mensch steht mit beiden Beinen fest im Leben. Was er abgelegt hat, ist die kindliche Hybris, die sich permanent benachteiligt fühlt und glaubt, nicht ausreichend gesehen zu werden. Er ist nicht nur dem Weltenspiel, sondern auch sich selbst auf die Schliche gekommen. Während andere das Außen glattbügeln und sich im Innen spalten, hat er die Illusion der inneren Trennung durchschaut und die in der Welt akzeptiert.
Und nun ist er präsent. Ohne wenn und aber. Er ist nicht frei von Furcht, doch er lässt sich von seinen Ängsten nicht mehr ausbremsen. Er sucht auch nicht verbissen nach innerer Heilung, weil er begriffen hat, dass man nicht gänzlich heilen kann, wo keine wirkliche Vollendung vorgesehen ist. Und so tanzt er mit all seinen Wunden und Narben durch das Weltenfeuer, um für das Leben einzustehen. Nicht nur für sein eigenes, sondern für das Leben an sich. Für das große Ganze. Er pflanzt Bäume, in deren Schatten er niemals sitzen wird, weil er zu einem Hüter des Lebens erwachsen ist. Die traumatisierten Aspekte seiner Selbst wirken sich nicht mehr gravierend aus, halten das Zepter nicht mehr in der Hand. Er hat begriffen, dass es etwas gibt, das wichtiger und größer ist, als er selbst.
Ihm ist bewusst, dass der Schmerz zum L(i)eben dazugehört und nicht vermieden werden kann und deswegen stellt er sich ihm, mit Leib und Seele und ist bereit für seine Worte und Taten Verantwortung zu übernehmen. Das erwachsene Dasein kniet vor dem Leben nieder, sein Kern ist das unbeugsame Leben selbst, das sich in jedem Augenblick schleift und neu verwirklicht, in dem Bewusstsein, dass alles, was in dieser Welt erschaffen wird, auch wieder zerstört werden kann und dass alles, was kommt, auch wieder gehen muss. Es zeugt von Unreife, die Welt mit den eigenen kindlichen Vorstellungen zu überzeichnen. Mehr noch. Es mündet in Täuschung und Enttäuschung. Ein gesunder Erwachsener folgt seiner inneren Stimme. Diese innere Stimme kann aber nur hören, wer keine Widerstände gegen ihre Botschaften hegt. Das Habenwollen und auch Ängste sind Barrikaden, die den Menschen taub werden lassen. Er will dann nicht wahr-haben, was ihm missfällt, und übertönt seine Intuition mit schrillen Farben und Klängen.
Dieses "nicht-wahr-haben-wollen" ist der Grund, warum die Menschen die Wahrheit diffamieren. Sie haben Angst, sich ausgeliefert und verloren zu fühlen. Sie wurden darauf getrimmt, Schöpfer ihrer Realität zu sein und mit ihrem Denken eine schöne Welt erschaffen zu können, indem sie sich positiv ausrichten und alles Negative ablehnen und ausblenden. Doch inzwischen lässt sich der Dreck nur noch übersehen, wenn man die Augen verschließt oder sich einredet, dass all das, was sich ereignet, nicht wirklich passiert. Während extremer Situationen, dissoziiert ein Mensch sich von seinem Erleben, weil die Psyche ein Notprogramm laufen lässt, um sich bewahren zu können. Das ist ein Schutzprogramm, kein Zeichen für eine hohe Entwicklungsstufe.
Erwachsenes Dasein ist emotional stabil. Es schaut hin, wo andere sich empört abwenden, es spricht das aus, was von der Gesellschaft tabuisiert wird. Es ist eigenständig und sucht keine Hand, an der es sich festhalten kann. Infantile Erwachsene glauben, nur im Zusammenschluss stark zu sein. Das ist ein großer Irrtum. Sich in eine Masse einzufügen, schwächt den Einzelnen. Und Massebewegungen lassen sich zudem leichter steuern als Einzelgänger. Es gibt nichts Stärkeres, als eigenständige Wesen, die zu ihrer wahren Natur erwachsen sind, weil sie autark und unberechenbar agieren. Sie sind es, die den Raum für ein authentisches Miteinander erhalten.
Teil 2
@LichtdesPhoenix