KRITISCHE FRAGEN AN EIN URTEIL AUS KAISERSLAUTERN
TEIL 2
Ließ sich ein Tötungsvorsatz der Frau NICHT nachweisen, so kam allerdings immerhin eine Bestrafung wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) in Betracht. Im Tod des Mannes manifestierte sich die spezifische Gefahr des Messerstichs. Und die nach § 18 StGB erforderliche Fahrlässigkeit in Bezug auf die Todesfolge ist bei einem Stich in die Herzgegend zu bejahen.
3. War die Tat durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt? Nein, sagt das Gericht. Denn die Frau sei von der Verteidigung zum Angriff auf den Mann übergegangen. Hierin liegt der wohl problematischste Punkt der Urteilsbegründung.
a) Notwehr kommt in Betracht, wenn der Täter einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff ausgesetzt war. Den rechtswidrigen Angriff stellt das Gericht nicht in Abrede. Offenbar meint es aber (und nur so lässt sich seine Argumentation überhaupt erklären), der Angriff des Mannes sei im Zeitpunkt des tödlichen Messerstichs bereits abgeschlossen und daher nicht mehr gegenwärtig gewesen.
Das ist indes eine sehr voraussetzungsvolle Annahme. Leider lehrt die Erfahrung, dass übergriffige Körperberührungen nur der Auftakt zu weiteren, noch übergriffigeren sexuellen Handlungen gegen den Willen des Opfers sind. Offenbar hatte der Mann, selbst als die Frau ihren Unwillen deutlich kundgetan hatte, keinen Anlass gesehen, sich zu entfernen, was ihm problemlos möglich gewesen wäre. Solange er sich nicht entfernte, musste die Frau befürchten, dass er seinen Übergriff fortsetzt. Wenn aber der Angriff noch gegenwärtig war, war eine Notwehrlage gegeben.
b) Eine Rechtfertigung nach § 32 StGB resultiert daraus aber nur dann, wenn der Messerstich zur Abwehr des Angriffs erforderlich war. Erforderlich ist die Verteidigung, wenn der Täter zu diesem Zweck das sicherste und mildeste Mittel anwendet.
Die so verstandene Erforderlichkeit lässt sich NICHT mit der Begründung verneinen, die Frau habe ja weglaufen können. Denn das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen. Geht man davon aus, dass die Frau dem Mann körperlich unterlegen war (dazu schweigen die Medienberichte), konnte sie sich nicht anders helfen als mit einer Waffe.
Man kann jetzt nur noch einwenden, sie habe nicht gleich Richtung Herz stechen müssen. Um das bewerten zu können, muss man das Video von der Tat gesehen haben. Es ist also durchaus möglich, dass die Frau über das Ziel, sich zu verteidigen, hinausgeschossen ist. Hierzu hätte ich mir mehr Detailtiefe in den Medienberichten gewünscht.
c) Selbst wenn aber die Grenzen der Notwehr überschritten waren, wäre wenigstens zu prüfen gewesen, ob nicht wenigstens Straflosigkeit nach § 33 StGB eintritt, weil die Frau jene Grenzen aus Verwirrung, aus Furcht und/oder aus Schrecken überschritten hat (vermutlich spielten hier alle drei dieser sog. asthenischen Affekte eine Rolle). Spätestens hier hätte auch die ADHS-Erkrankung der Frau in die Beurteilung einbezogen werden müssen.
d) Man erkennt: Ohne eine sehr genaue Analyse des Beweisergebnisses lässt sich die Frage nach einer Rechtfertigung durch Notwehr kaum beantworten. Mit der vom Gericht gegebenen Begründung wird sich die Verneinung einer Notwehrlage indes kaum halten lassen.
4. Sollte der (unterstellt: vorsätzliche) Totschlag nicht durch Notwehr gerechtfertigt gewesen sein, stellt sich auf der Rechtsfolgenseite die Frage, ob nicht angesichts des vorangegangenen Übergriffs durch den Mann wenigstens ein minder schwerer Fall des Totschlags nach § 213 StGB hätte angenommen werden können. Dann wäre wenigstens die Strafe deutlich milder ausgefallen.
III. Ausblick
Die Frau will nach den Angaben ihrer Verteidigung nicht in Revision gehen. Sollte sie es sich anders überlegen, hätte sie noch bis kommenden Mittwoch (eine Woche nach Urteilsverkündung) Zeit, Revision einzulegen.
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