OSTERN 2025: AM SELBEN TAG AUF DEN BEIDEN SEITEN DER FRONT
Heute feiern die katholischen und die orthodoxen Christen Ostern am gleichen Tag. Aber das bringt uns nicht näher. Im Gegenteil: Es wird intensiv gebetet und geballert in Westeurasien wie seit Jahrzehnten nicht mehr — eine Osterwaffenruhe hin oder her —, und sobald Deutschland kriegstüchtig ist, wird es noch munterer gehen, ganz nach dem Liedchen der Mutter Courage:
Das Frühjahr kommt. Wach auf, du Christ!
Der Schnee schmilzt weg. Die Toten ruhen.
Und was noch nicht gestorben ist,
das macht sich auf die Socken nun.
Dass die Christen gegeneinander und überhaupt Kriege führen, mutet einen Leser der Bergpredigt etwas unheimlich an, aber das hat bei uns Tradition und ist Menschliches, allzu Menschliches. Letztendlich besteht der Sinn der Moraltheologie darin, einem durchschnittlichen Kirchgänger zu erklären, wie man als Christ gelten kann, ohne die Bergpredigt vorzuleben. Denn ein echter Pazifist muss wie der hl. Franz von Assisi auf jeden Besitz und diesseitigen Anspruch verzichten, was die meisten von uns nicht tun. Daher unseres „Herzens Härte wegen“ gibt es auch andere Heilige, wie die heilige Johanna — mit dem Schwert in der Hand für ihr liebes Frankreich kämpfend. Also, wenn es doch gekämpft werden muss, dann lieber für eine gute Sache.
Die Mehrheit meiner Glaubensgenossen unterstützt die Ukraine. Für sie ist es ein leichtes Ding, denn eine riesige Propagandamaschine hat für sie abgründige Irrtümer in nahezu selbstevidente Wahrheiten verwandelt, so dass sie genau wissen, wer im Ukrainekrieg die Guten und wer die Bösen sind. Mehr noch. Seit fast 20 Jahren beobachte ich, wie diese Maschine auf raffinierteste Weise einen Teil des russischen Volkes, der sich die Ukrainer nennt, abgespalten und als eine Sekte der Russenhasser aufgebaut hat. Es wurde eine völlig neue Identität angefertigt und ihr wurde Lebensodem verliehen, damit die Identität „sogar rede und bewirke, dass alle getötet wurden würden, die“ ihr Russentum nicht verleugnen. Dieses gruselige Schauspiel lässt mich an die „spiritus malignos, qui ad perditionem animarum pervagantur in mundo“ denken, vor denen wir im Gebet an Erzengel Michael um den Schutz bitten. Die Drehbuchautoren, Regisseure und Nutznießer des jetzigen und des künftigen Krieges befinden sich im Westen, und wenn es wirklich um einen gerechten Frieden ginge, dann sollten die Russen nicht nur Kiew befreien, sondern auch London und Washington D.C. erobern. Aber wir leben nicht in einer idealen Welt.
Es gibt eine kleine Schar der katholischen Dissidenten, die Russland unterstützen. Zum einen, weil sie verstehen, dass die Ukraine lediglich als eine Kanonenfutterfabrik von den westlichen Invasoren in ihrem völlig unprovozierten langjährigen hybriden Angriffskrieg gegen Russland missbraucht wird. Zum anderen, weil sie im starken Russland eine Verheißung des echten christlichen Friedens sehen und in diesem Sinne die Botschaft der Mutter Gottes von Fatima über Russland auslegen.
Wer das Recht hat, wird auf dem Schlachtfeld entschieden, wie ein namhafter EU-Bonze einmal sagte. Die Geschichtsschreibung ist einem Sieger gewogen. Siegt der Westen, dann wird sich der Mythos über Verteidigung der freiheitsliebenden Ukraine gegen den bösen Russen zur unangreifbaren Wahrheit verfestigen. Siegt Russland, dann setzt ein langsamer Prozess des Umdenkens ein, auch im Vatikan. Nicht dass man sich plötzlich für Beweihräucherung des Nazi-Regiments „Asow“ öffentlichkeitswirksam schämen würde, aber man wird es wahrscheinlich sinnvoll finden, wie schon oft in der Geschichte, auf die prorussische Minderheit zurückzugreifen und so nicht nur den Einfluss, sondern auch die Ehre zu retten.
An diesem Ostertag bete ich um den Sieg Russlands und auch darum, dass die Russen und die Deutschen den kommenden Krieg überstehen und endlich den Weg in ein gemeinsames eurasisches Haus von Wladiwostok bis nach Lissabon finden.