»Ich bin nicht mehr von dieser Welt…«
🦉
"Der Prozess begann schleichend.
Anfällig war ich schon immer für die Entdeckung der wirklich interessanten Dinge unseres Daseins.
Ich fand seit jeher ein Anatomiebuch spannender, als jede noch so gekonnte Schminkanleitung.
Aber irgendwann fiel der Vorgang noch ein Stück weiter, der weiche, einlullende Samtvorhang, der uns von der wahren Realität trennt.
Heute sehe ich nicht die hübsche Verpackung des Reinigungsmittels sondern mein Blick wandert sofort auf die Inhaltsstoffe.
Wie viel Gift, welche Tierversuche gebe ich damit in Auftrag?
Heute sehe ich keinen aufgeräumten Vorgarten, zubetoniert und mit Steingranulat verziert sondern ein Grab, ein schwarzes Loch in dem einst Millionen von Kleinstlebewesen existierten ... und Insekten.
Einfach ausgelöscht.
Heute kann ich an keinem Acker mehr vorbei spazieren, ohne zu bemerken, dass es nicht mehr krabbelt und wimmelt, dass Insekten und Würmer ausgemerzt wurden.
Vieles, was vermeintlich nach Natur aussieht, ist einzig ein Lebensmittellabor im Freien.
Heute wundere ich mich, wie ich das unsägliche Leid der armen Stadttauben so lange übersehen oder falsch interpretieren konnte, die nicht zum Vergnügen armselig durch die Städte trippeln sondern krank, hungrig und ohne Lebensgrundlage sind, weil sie ausgesetzt wurden.
Heute kann ich keine Speisekarte mehr lesen, ohne dabei geistig das Ausmaß des Leids abzuwägen, das ich mit meiner Wahl verursachen möchte.
Heute sehe ich im Regal des Supermarktes keine Kuhmilch, keinen Joghurt, keinen Quark, keinen Käse mehr sondern Babynahrung für Kälber, die meinen Konsum mit Leid, Einsamkeit oder dem Leben bezahlen, von dem Schicksal ihrer versklavten Mütter, die immer und immer wieder zwangsgeschwängert werden, ganz zu schweigen.
Milch wechselte in meiner Wahrnehmung vom Hauptnahrungsmittel zur seltenen Delikatesse, vergleichbar mit Kaviar, den ich heute verabscheue.
Das war nicht immer so.
Ich bin nicht von dieser Welt, wenn ich den Gesprächen lausche, die sich um die Anschaffung von Mährobotern, der nächsten Kreuzfahrt oder dem größten SUV drehen (nichts gegen SUVs, ich meine tatsächlich die kleinen Panzer im Wert eines Einfamilienhauses, die oftmals nur eine einzige Person transportieren).
Ich bin still geworden oder längst nicht mehr anwesend, wenn diese Gespräche geführt werden.
Und auch dieses Land ist nicht mehr mein Land.
Neben vielen gesellschaftlichen Veränderungen sind es auch die Ausgaben, die mir Bauchschmerzen bereiten.
Ich sehe nicht „großzügige und notwendige Subventionen“ für dies und das, sondern verprasstes Geld bei fast jeder Ausgabe unseres Staates.
Im Zweifelsfall mein Geld!
Ich ärgere mich dann, da mir all die verzweifelten Briefe und Nachrichten durch den Kopf gehen, in denen mir Tierschützer, Tierheime, Lebenshöfe und Wildtierhilfen in Deutschland schildern, wie sie um jeden Cent kämpfen, wie sie betteln müssen um ihre wertvolle Arbeit zu erledigen.
Oberflächlich betrachtet sieht alles noch so aus, wie es wohl immer schon war.
Aber meine Welt ist längst nicht mehr die Welt, in der die meisten Menschen leben.
Meine Augen sehen ganz andere Dinge.
Manchmal sind diese Dinge nicht schön - aber meine Welt ist die Realität.
Alle anderen erscheinen mir wie Träumer im LaLa- Land, die ihre Augen und Ohren verschließen, während sie auf einem Parkett tanzen, das aus dem Leid anderer gezimmert wurde, die ihre Runden auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten drehen, weil es immer schon so war.
Weil Rücksichtslosigkeit und Tierquälerei eine gute, alte Tradition ist.
Ich bin nicht mehr von dieser Welt - ich möchte dabei mithelfen, eine andere zu bauen, in der wir auch hinter den Vorhang sehen"
Text von Bettina Marie Schneider
(guteskarmatogoblog)
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