Philosophieren
Philosophieren muß eine eigne Art von Denken sein. Was tu' ich, indem ich philosophiere? Ich denke über einen Grund nach, dem Philosophieren liegt also ein Streben nach dem Denken eines Grundes zum Grunde. Grund ist aber nicht Ursache im eigentlichen Sinne – sondern innre Beschaffenheit, Zusammenhang mit dem Ganzen. Alles Philosophieren muß also bei einem absoluten Grunde endigen. Wenn dieser nun nicht gegeben wäre, wenn dieser Begriff eine Unmöglichkeit enthielte, so wäre der Trieb zu philosophieren eine unendliche Tätigkeit und darum ohne Ende, weil ein ewiges Bedürfnis nach einem absoluten Grunde vorhanden wäre, das doch nur relativ gestillt werden könnte und darum nie aufhören würde. Durch das freiwillige Entsagen des Absoluten entsteht die unendliche, freie Tätigkeit in uns, das einzig mögliche Absolute, was uns gegeben werden kann, und was wir nur durch unsre Unvermögenheit, ein Absolutes zu erreichen und zu erkennen, finden. Dies uns gegebne Absolute läßt sich nur negativ erkennen, indem wir handeln und finden, daß durch kein Handeln das erreicht wird, was wir suchen. Dies ließe sich ein absolutes Postulat nennen. Alles Suchen nach einem Prinzip wäre also wie ein Versuch, die Quadratur des Zirkels zu finden. (Perpetuum mobile. Stein der Weisen.)
— Novalis