Die Blutbücher geben in schauerlicher Kürze Kunde von den erkannten und vollzogenen harten Strafen. Namentlich wurde die Todesstrafe sehr häufig mit grausamen Schärfungen in Anwendung gebracht. So finden wir die Strafe des Siedens (bei lebendigem Leibe) bald in Öl, bald in Wein, bald in Wasser nicht selten erkannt und vollzogen; ebenso eine der härtesten Strafen: das Lebendigbegraben und das Pfählen (wobei dem Verurteilten ein spitzer Pfahl ins Herz gestoßen wurde), oft noch mit Schärfungen, z. B. daß dem Gepfählten glühende Kohlen unter den Leib gelegt wurden. Besonders häufig finden sich diese Strafen, namentlich das Lebendigbegraben, gegen Frauen angewendet, (auch mit der Schärfung, daß der Delinquentin eine Dornhecke auf ihren Leib gelegt und sie nun mit Erde beschüttet werden soll) bei Verbrechen, auf welchen für Männer der Strang oder das Schwert gesetzt war. So setzt z. B. das Lübecker Recht vom Jahr 1266 fest, daß jede Frauensperson, welche einen mit dem Strang bedrohten Diebstahl begeht, lebendig begraben werde; und daß dieses Recht Jahrhunderte lang streng angewendet wurde, beweisen die Blutbücher von Lübeck. Urteile, wie folgendes, sind in denselben sehr häufig: »Anna Pipers, gebürtig von Wittenberg, hat bekannt, daß sie stahl einen Frauenrock, darum ist sie lebendig begraben unter dem Galgen.« Sogar nachdem im 16. Jahrhundert ein neues Lübecker Stadtrecht das Lebendigbegraben überging und bestimmte, daß Weibspersonen wegen Diebstahls mit dem Schwert gerichtet werden sollen, findet es sich doch noch später in dem Blutbuche aus dem Jahre 1575 bis 1592, daß Weibspersonen lebendig begraben wurden.
Auch von den verstümmelnden Strafen, Handabhauen, Ohrenabschneiden u. dergl., sind die Blutbücher jener Zeit voll. Oft wurden sie in ganz besondrer Weise erkannt. So verurteilte ein Holsteinisches Gericht im Jahr 1466 einen Mann, der die Jungfrau Maria gelästert habe, dahin, daß man ihm seine Zunge auf den Block annageln soll, bis er sich selbst freimache. Ein ähnliches Urteil enthält das Blutbuch von Lübeck aus dem Jahre 1566; es wurden zwei Männer, welche auf einen andern bei Händeln das Messer gezückt hatten, verurteilt, daß »ihnen durch ihre linke Hand ein Messer geschlagen werden soll, welches sie selbst ausreißen mögen, und sie dann aus der Stadt verwiesen werden sollen, nicht wieder zu kommen, ohne der Obrigkeit Erlaubnis, bei Strafe des Strangs«.
Noch grauenvoller wird das Bild, wenn wir zugleich die »peinliche Frage« wirken sehen; z. B. eine Frau wird auf falschen Verdacht, ein Stück Silberzeug einem Kaufmann entwendet zu haben, hervorgerufen durch eine übelwollende Nachbarin und andere böse Zungen, in Haft genommen. Sie weiß nichts zu gestehn. Die Anwendung der Folter wird zulässig erkannt. Im Bewußtsein ihrer Unschuld übersteht sie die ersten Grade. Das Gericht will ein Resultat. Der Henker wird angewiesen, daß er der Verdächtigen schärfer zusetze. Endlich mit zerbrochenen Gliedern, ihrer nicht mehr mächtig, gesteht sie alles, was man von ihr wissen will: sie kann nicht mehr. Das Urteil lautet: sie soll nach drei Tagen lebendig begraben werden. Wer kann die Schrecken dieser Todesart würdigen? und welch entsetzliche Angst muß die Arme ausstehen! Es ist keine Rettung. Sie wird bei vollem Bewußtsein ohne Erbarmen lebendig begraben.
Dergleichen Beispiele von der Härte und Grausamkeit mittelalterlicher Justiz ließen sich viele anführen. Sie werden nur überboten durch die Schrecken der Hexenprozesse."
Oskar von Wächter, Vehmgerichte und Hexenprozesse in Deutschland