Netanjahus neoliberale Dystopie von Gaza nach dem Krieg
Mindestens 36.500 Palästinenser:innen sind seit dem 7. Oktober in Gaza ermordet worden, etwa 10.000 Menschen werden noch vermisst, fast 83.000 weitere Palästinenser:innen wurden Berichten zufolge verletzt & Hunderttausende leiden unter dem immer schlimmer werdenden Hunger, den Folgen der zerstörten medizinischen Versorgung, Kriegstraumata & der Vertreibung. Über 70% aller Gebäude im Gazastreifen sind bereits zerstört, das Land durch die andauernden brutalen israelischen Bombardements & mutmaßlich auch durch die Flutung von Tunneln mit Meerwasser wahrscheinlich zu einem großen Teil für lange Zeit nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar.
Während der Gazastreifen in der Realität ein Ort von Tod & Verwüstung ist – & gleichzeitig das Zuhause, das mindestens 1,7 Millionen Menschen verloren haben & in das sie gerne zurückkehren möchten – malen sich Kriegsverbrecher:innen & Kriegsprofiteure gleichermaßen aus, wie der Streifen Land besser zu nutzen wäre, anstatt als Heimat von 2 Millionen Palästinenser:innen, deren Vorfahren zum großen Teil während der Nakba aus ihren Dörfern vertrieben wurden. So träumt ein großes israelisches Immobilienunternehmen – angeblich nur sarkastisch! – davon, künftig in Gaza Häuser am Strand bauen zu können – sobald die palästinensische Bevölkerung dort ausgelöscht ist. Auch Donald Trumps Schwiergsohn Jared Kushner findet die Idee von Immobilien mit Meerblick ganz reizvoll & hat sich überlegt, dass Palästinenser:innen ja auch in die zuvor platt gemachte Wüste Naqab/Negev umgesiedelt werden könnten. Win, win, win, quasi.
Der rechtsextreme israelische Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir & der rechtsextreme israelische Finanzminister Bezalel Smotrich wollen derweil die illegalen israelischen Siedlungen in Gaza, die 2005 geräumt wurden, wiederbesiedeln & gehen davon aus, dass die Bewohner:innen Gazas dafür gerne freiwillig & mit Kusshand gehen würden – das zu fordern sei auch völlig human & ethisch, findet Ben-Gvir.
Auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu malt sich ein Gaza der Zukunft aus: Anfang Mai veröffentlichte sein Büro eine Powerpoint-Präsentation unter dem Titel „Gaza 2035“ mit seiner Vision von einer „Freihandelszone Gaza-Arish-Sderot“ – einem neoliberalen Innovationsparadies, das, wenn es nach Netanjahu geht, nach einem nicht näher beschriebenen, in der Zukunft liegenden Sieg Israels über Gaza in drei Stufen eingerichtet werden soll.
Netanjahu rechtfertigt mit diesem Plan nicht nur die Zerstörung Gazas – denn die glänzende wirtschaftliche Zukunft, die er auf den Ruinen und Leichen errichten will, übertrifft natürlich in der Sichtweise westlicher Supermächte das, was Palästinenser:innen in den Jahrzehnten der Blockade und Besatzung der Welt präsentieren konnten, locker -, sondern er plant die Ausbeutung von Land und Menschen und arbeitet damit auch weiterhin gegen echte palästinensische Selbstverwaltung. Und weil das nicht genug ist, kalkuliert der israelische Premier das Ganze direkt schon mal für den Jemen, Syrien und Libanon mit.
Auch wenn seine Vision von „Gaza 2035“ shiny shiny präsentiert ist & im Vergleich zu anderen Ideen, die eine komplette Auslöschung oder Vertreibung von Palästinenser:innen aus Gaza beabsichtigen, harmloser wirkt – muss sie als das benannt werden, was sie ist: Imperialistische, neoliberale Großmachtsfantasien, die denjenigen Bewohner:innen Gazas, die diesen Genozid überleben werden, das Recht absprechen, ihre eigene Zukunft in die Hand zu nehmen.