Sachsen – Kriegerherz und Ahnengeist: Kultur, Traditionen und Bräuche
Die Sachsen waren mehr als bloße Widersacher Karls des Großen – sie waren ein stolzes, eigenständiges Volk mit einer tief verwurzelten Kultur, die zwischen Moor und Mittelgebirge wuchs. Wo andere sich dem Kreuz beugten, hielten sie den Hammer hoch. Sie waren keine bloßen Barbaren, sondern Träger einer uralten Ordnung, die auf Ehre, Blutsbanden und den Zyklen der Natur beruhte.
Die Sippe als Welt
Im Mittelpunkt sächsischer Kultur stand die Sippe, ein Netz aus Blutsverwandtschaft, gegenseitiger Verantwortung und Rechtsprechung. Der Einzelne zählte wenig – die Ehre der Familie war alles. Streit wurde selten durch Staat oder König geschlichtet, sondern durch Thingversammlungen, bei denen Freie nach alten Regeln Recht sprachen. Wer sich dem Urteil widersetzte, wurde nicht eingesperrt – sondern geächtet: ein lebender Toter, vogelfrei, dem selbst der Bruder keine Zuflucht mehr bieten durfte.
Rituale, Riten und Runen
Die Sachsen kannten weder Sakramente noch Sakralbauten – ihre Religion war im Wald zu Hause, in heiligen Hainen, bei Quellen, alten Bäumen und auf Höhenzügen. Ihre Feste waren eng an den Jahreskreis gebunden: Jul zur Wintersonnenwende, Ostara im Frühling, Litha zur Sommersonnenwende – Namen, die später in christlichen Bräuchen weiterlebten. Das Feuer spielte dabei eine zentrale Rolle: Es reinigte, schützte, verband. Auch das Blót, das Opferfest, war tief verankert – Tiere, manchmal auch Menschen, wurden den alten Göttern dargebracht, insbesondere Wodan und Donar.
Krieg als Lebensform
Die Sachsen kannten keinen Berufssoldatenstand – jeder freie Mann war Krieger, und das Schwert war kein Werkzeug, sondern ein Teil der Seele. Die Weihe zum Krieger war ein heiliger Akt: Junge Männer erhielten unter rituellen Schwüren ihre Waffen, oft unter den Augen der Ahnen, deren Geister durch Runensteine und alte Schwerter gegenwärtig blieben. Der Tod im Kampf war kein Unglück – sondern ein Heimweg zur Tafel der Götter.
Feste, Feiern und Frauen
Sächsische Feste waren laut, wild und lang – sie verbanden Gemeinschaft, Rausch und Erinnerung. Met und Bier flossen in Hörnern, das Feuer knisterte, und die Skalden – Sänger und Dichter – riefen die Ahnen wach mit Liedern von Sieg, Verlust und Schicksal. Frauen waren in der sächsischen Gesellschaft kein schmückendes Beiwerk – sie konnten Land erben, Sippen anführen und sogar als Seherinnen fungieren, wenn sie von den Göttern berührt waren.
Christianisierung: Feuer und Kreuz
Als Karl der Große mit Feuer, Schwert und Taufbecken kam, entbrannte ein dreißigjähriger Kulturkrieg. Die Sachsen widerstanden – nicht aus bloßer Sturheit, sondern weil das neue Glaubenssystem ihr ganzes Weltbild zerschlug. Der Irminsul, ein heiliger Baum oder Pfeiler, Symbol der kosmischen Ordnung, wurde zerstört – und mit ihm ein Teil ihrer Identität. Wer nicht taufte, wurde getötet. Doch viele Sachsen tauften nur zum Schein und beteten heimlich weiter zu Donar. Die Christianisierung war kein friedlicher Wandel – sie war eine Zwangsmission mit dem Schwert.
Das Erbe der Sachsen
Trotz Unterwerfung lebte sächsisches Denken weiter – in Bräuchen, in Sprache, in der Idee der persönlichen Freiheit. Ihre Nachfahren waren es, die später das deutsche Reich mitprägten, als Herzöge, Kaiser, Aufständische. Und jenseits des Meeres, in Britannien, wurden sie zusammen mit den Angeln zu Ahnen der Angelsachsen – und damit der englischen Sprache, Literatur und Identität. Aus den Wäldern Norddeutschlands hinaus trugen sie den Geist eines Volkes, das sich nicht beugen wollte – und in mancher Weise bis heute nicht beugt.
@dawidsnowden