Krolowa Wola, Februar 1915.
Meiner Mutter!
Nicht uns, die festen, stürmen, siegen, fallen,
trifft schwer der Krieg an blutigen Wunden,
doch unsre Mütter leiden frischen, frischen Stunden.
Die Mütter trifft die schwerste Zeit vor allen.
Denn ist's hier draußen auch ein hartes Leben,
wir lernten schnell, uns daran zu gewöhnen,
sie aber sind behändigt bei den Söhnen
mit ihren Sorgen, mit festem Beben.
Wir lernten, uns an trocken Brot zu weiden,
uns "freuen" an Leben, wie es Führer führen,
sie mag den vollen Teller nicht beschrieben:
"Wird auch mein Sohn nicht ferne Hunger leiden?"
"Wo mag mein Sohn sich heut' noch niederstrecken?
Wird er wohl frieren?" So gehn ihre Sorgen.
Und schlaflos findet sie der frühe Morgen.
Und frieren liegt ihr unter warmen Decken.
Uns macht der Kampfeslärm nicht mehr beklommen,
die Kugeln schrecken uns nicht mehr, die schnellen,
die nächtlich schrecklich in den Traum ins Hellen:
Es hat ihr jede ihren Sohn genommen.
Es wird dereinst der Friede schnell vertreiben
bei uns des Krieges Ungemach und Wunden,
hier aber bleibt ein Zeichen ihrer Stunden,
dem grauen Haar wird immer ganzes bleiben.
Ich glaub's, wenn wir der Mütter einst begegnen,
wir werden auf die Knie fallen müssen,
in Demut ihre grauen Strähnen küssen:
„O Mutter, seh! Wir half Dein treues Segnen.
Laß Deine Hände küssen, Deine weißen,
o süße Mutter, laß mich dieses Dir sagen:
Auch Du hast diesen schweren Krieg geschlagen;
so laß mich Dich die größte Heldin heißen.
Dichtung eines verlorenen Sohnes
Ludwig Franz Mener an die liebe Mutter.
geb. 9. Dezember 1894 zu Snefen
gef. 3. Mai 1915 in Sochajew