Vor diesem Hintergrund ist auch zu verstehen, warum Trump seine harte Zollpolitik fährt: Mit der Ukraine als „Trojanischem Pferd“ wäre ein zollfreier Handel auf dem europäischen Markt oder ein wirtschaftlicher Anschluss der Ukraine und Teilen Osteuropas möglich. Auch der von den USA in den Gesprächen mit Russland priorisierte freie Schiffsverkehr im Schwarzen Meer dient diesem Zweck: Die US-Unternehmen wollen die Handelsroute freihalten, um das der Ukraine „geraubte“ Getreide in alle Welt verkaufen zu können.
Russland wäre bei diesem Deal auch nur bedingt auf der Seite der Sieger. Moskau könnte zwar die nach dem Angriff militärisch eroberten Territorien behalten, vielleicht gäbe es den gemeinsamen Betrieb von Nord Stream 2 und ein paar andere Joint Ventures von Gazprom und amerikanischen Öl- und Gasmultis. Doch eine Rückkehr auf den europäischen Markt wäre weitgehend von den Amerikanern blockiert. Daher ist es im Interesse der Amerikaner, dass die EU die Sanktionen gegen Russland beibehält und, wenn möglich, sogar verschärft.
US-Außenminister Marco Rubio deutete auf dem Flug nach Lateinamerika in dieser Woche an, dass ein Frieden noch lange dauern könne – weil die Aufhebung der Sanktionen nicht in der Hand der Amerikaner läge. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz teilten am Donnerstag mit, dass die von den Russen als Bedingungen für den Frieden geforderten Lockerungen für Banken keinesfalls möglich seien.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte erklärt, er werde das Abkommen nur umsetzen, wenn die EU eine seiner Banken, die Rosselkhozbank (RSHB), wieder vollständig in das belgische SWIFT-Netzwerk für internationale Zahlungen aufnehmen würde. Auch andere russische Banken, die mit Agrarexporten zu tun haben, sollten teilweise entlastet werden, teilte Moskau mit. Die EU hat 23 russischen Banken das SWIFT-Protokoll entzogen. Dies betrifft alle wichtigen Kreditgeber mit Ausnahme der Gazprombank, die internationale Gastransaktionen abwickelt.
Der britische Premier Keir Starmer wandte sich energisch gegen die Aufhebung der Sanktionen und sagte, über solche sei nie gesprochen worden: „Im Gegenteil, wir haben darüber diskutiert, wie wir die Sanktionen verschärfen können, um die US-Initiative zu unterstützen und Russland durch weiteren Druck dieser Ländergruppe an den Verhandlungstisch zu bringen. Das bedeutet, den wirtschaftlichen Druck auf Russland zu erhöhen und neue, härtere Sanktionen zu beschleunigen, die sich auf Russlands Energieeinnahmen auswirken.“ Der Kommentar Starmers ist interessant: Der Finanzplatz London könnte über die enge Vernetzung mit dem US-amerikanischen Kredit- und Investmentsystem an einer US-Übernahme der Ukraine profitieren. Großbritannien ist eigentlich gar nicht mehr Mitglied der EU, bestimmt aber in der Ukraine-Frage das Tempo. Auch Frankreichs Banken dürften mit einem Auge auf einen möglichen Deal und sich daraus ergebendes Neugeschäft schielen. Frankeichs Premier Emmanuel Macron ist als ehemaliger Investmentbanker in London bestens mit den globalen Entwicklungen vertraut.
Dagegen bringen die EU-Politiker wenig Fachkompetenz mit und müssen sich daher auf Durchhalte-Parolen beschränken. Der Vorsitzende des EU-Rates, António Costa, sagte den Staats- und Regierungschefs im Rahmen des Pariser Treffens außerdem laut EU-Observer: „Es wäre ein strategischer Fehler, der Versuchung einer vorzeitigen Lockerung der Sanktionen nachzugeben.“ Tatsächlich führt das Verhalten der EU dazu, dass die USA Zeit gewinnen, um mit der Ukraine einen Deal zu schließen. Je länger die Sanktionen die Russen von wirtschaftlichen Aktivitäten in der Ukraine fernhalten, umso besser.
Das würde auch erklären, warum Trump seinen besten Mann – den früheren Soros-Mann und Hedgefonds-Manager, seinen Finanzminister Scott Bessent, als Emissär in die Ukraine geschickt hat, während Moskau teilweise mit Amateuren wie dem Immobilienentwickler Steve Witkoff abgespeist wird.