In jenen Tagen, als die Nächte noch doppelt zählten, lebte in einem staubigen Winkel der Welt ein Schakal. Er war dünn wie eine geleerte Wasserflasche und so grau wie die Asche einer ausgerauchten Zigarette.
Er war weder stark noch schön, nicht edel. Aber er war klug – klug auf jene schmutzige, schlaue Weise, wie sie nur der Hunger lehrt. Er war ein opportunistischer Schakal. Und Opportunismus, meine verehrte Leserin, ist jene raffinierte Form der Intelligenz, die das Richtige und das Falsche für irrelevante Accessoires hält.
„Warum soll ich jagen, wenn der Löwe jagt?“, fragte er sich oft. „Warum bellen, wenn der Wind schon alles sagt?“
Als sich die Tiere versammelten, um sich gegen den Menschen – diese heilige Krankheit mit Turnschuhen – zu verschwören, da trat er auf. Der Opportunist. Er prädigte den Widerstand. Seine Worte fanden offenen Eingang in alle spitzen Ohren.
„Der Mensch“, sagte er, „ist der Würger der Wildnis, der Fälscher der Ordnung. Wir müssen ihn zurückdrängen, ihn vergessen machen!“
Er konnte sprechen, der opportunistische Schakal, und seine Zunge war wie Honig, der auf Dornen tropft. Er sprach von Rückkehr, von Blut, von der Freiheit. Die Tiere glaubten ihm, denn er war klein und schwach – und hielten ihn darum für aufrichtig.
Doch als die erste Schlacht begann, als Blut die Erde rostrot färbte und die Schatten der Jäger lang wurden, schlich sich der Schakal davon.
Er roch, wo Macht lag, wie andere einen Kadaver wittern. Und er duckte sich. Nicht aus Furcht, sondern aus Kalkül. Er beugte sich, ein Freier, der nicht herrschen konnte, ein Diener, der glaubte, das Knurren sei Gesang.
„Ich bin frei“, sagte der Schakal, „weil ich diene, wann ich will, wem ich will, und solange ich will.“
Die Löwen schwiegen ihn fort. Die Geier übersahen ihn.
Aber die Menschen – jene Kulturmenschen mit ihren Legitimationspapieren und ihrer Moral aus Staub – sie mochten ihn.
„Er ist nützlich“, sagten sie. „Der opportunistische Schakal zeigt uns den Weg.“
Und er, das kleine, krumme Spiegelbild ihrer eigenen Feigheit, tänzelte zwischen ihren Stiefeln und redete sich ein, er sei Teil des Plans. Er näherte sich den Menschen auf dem Bauch, mit gesenktem Haupt, winselte, schmeichelte – und wurde empfangen.
So bot er seine Dienste an. Er führte sie zu den Höhlen der Bären, zu den Nestern der Geier, zu den Spuren des Wassers. Er lernte ihre Worte, tanzte ihre Tänze, winselte ihre Lieder. Er fraß, was von den neuen Herren übrig blieb. Er log, wenn es nötig war, und lobte, wenn es schmeichelte.
„Ein kluger Bursche“, sagten die Menschen. „Er kennt die Natur.“
„Ein Verräter“, sagten die Tiere. „Er verkauft uns für ein Stück Zwieback.“
„Ich bin frei“, sagte der opportunistische Schakal selbst. „Ich diene keinem außer meinem Vorteil.“
Die Menschen nannten ihn „die Stimme der Wildnis“, „den letzten echten Sohn der Steppe“.
Sie errichteten ihm ein Denkmal aus Bronze – und aus Lüge.
Und der Schakal lächelte mit sauberen Zähnen, während hinter ihm der Wald brannte.
Doch eines Abends – die Sonne war nicht untergegangen, sie war vielmehr beleidigt gegangen – verließen auch die Menschen den Ort, wie sie gekommen waren: mit Lärm und ohne Abschied. Und er blieb zurück, der opportunistischer Schakal, allein, mit einem alten Knochen im Maul, der plötzlich nach Staub schmeckte.
Über dem verkohlten Wald lag eine Dunkelheit, so dicht wie der Futterstoff eines sowjetischen Wintermantels. Der Schakal war nur noch eine Bewegung, ein Geruch. Säuerlich, alt, ein Hauch von Furcht.
Die Angst fraß ihn von innen, wie einst die Glut das Unterholz. Nicht vor dem Menschen zitterte er, nicht vor dem Feuer – sondern vor dem Gedanken, dass die Tiere zurückkehren könnten, um Rache zu nehmen.
Doch es gab keine Tiere mehr. Nichts war geblieben. Kein Brüllen, kein Krächzen, kein Flügelschlag. Nur er, der Schakal, und das dünne, nervöse Lächeln, das an seinen Lefzen klebte wie getrocknetes Blut. Aber es war kein Blut. Nicht einmal das.#HydrasReden